Immer noch hat er Tourenvorschläge für uns parat gehabt und die meisten Gipfel die wir erklommen haben kannte er bereits, denn auch er war Zeit seines Lebens in den Bergen unterwegs und hat somit mehr als nur einiges erlebt.
Seine Geschichten haben mich erst zu dieser bergverrückten Frau gemacht die ich heute bin… Von klein auf habe ich seine Bergabenteuer in Form seiner lebendigen Erzählungen nacherlebt.
Obwohl im Krieg und kurz nach dem Krieg kaum Geld vorhanden war, war mein Papa bei den Pfadfindern und hat so schon früh die Liebe zur Natur und zu den Bergen entdecken können! |
Wie ihr Euch ja sicher vorstellen könnt hatte er damals nicht gerade die beste Ausrüstung, denn mit Geburtsjahr 1937 wurde er mitten im 2. Weltkrieg geboren. Trotzdem hat er Skifahren gelernt, natürlich mit einigen Rückschlägen, da er einmal seine uralten Lederskischuhe über dem Herd zum trocknen aufgehängt hatte, da es den ganzen Tag nur geregnet hatte und er ja am nächsten Tag wieder eine Skitour gehen wollte... Die alten Lederschuhe sind am nächsten morgen einfach nur auseinandergefallen, da sie die große Hitze nicht ausgehalten haben... und so stand mein Papa in Lenggries, ohne Ausrüstung und erstmal ohne Möglichkeit nochmal Skifahren zu können... Trotzdem hat er es letztlich gelernt und noch dazu seine eigene bergnarrische Gruppe gefunden. Zusammen haben sie viele berühmt berüchtigte Alpengipfel bestiegen, wie unter anderem z..B. den Mont Black oder auch alle Monte Rosa Gipfel.
Meine ersten Gipfel habe ich natürlich zusammen mit meinem Papa bestiegen, auch wenn ich nicht nach den 4.000 ern strebe.. ;) |
Als ich klein war wollte ich das unbedingt auch mal alles machen, doch es kommt ja meist anders als man denkt und so wurde das Mountainbiken meine Größte Leidenschaft und mein Papa… der folgte… Fast unglaublich wenn man bedenkt, dass er schon 50 Jahre alt war als ich auf die Welt gekommen bin. 65 als ich so richtig Mountainbike verrückt wurde… und trotzdem war er voll dabei. Er kaufte sich nicht nur ein modernes Bike sondern unterstützte mich bei Rennen und Tourenplanung und machte auch selbst Biketouren, sogar mit dem ein oder anderen Trail!
Skifahren habe ich natürlich direkt von meinem Papa gelernt! |
Auch wenn es schon damals Winter mit (zu!!!) wenig Schnee gab! |
Seine Frau, meine Mama, hat er bereits 2002 verloren, trotzdem klammerte er auch nie zu stark und hat mir niemals etwas verboten. So war ich z.B. Tiroler Meisterin im Snowboard Slopestyle und das nicht zu letzt weil mein Papa niemals sagte "mach das nicht" sondern höchstens "wenn du das machst, dann mach es gscheid!". Vermutlich hat er auch nach genau diesem Grundsatz gelebt und so kämpfte er noch bis zu letzt, denn er war stark, unglaublich stark und lebensfroh!
Letztes Jahr, Juli 2017, begleitete er mich zum Start der Bike Transalp. Kurz darauf hatte er eine Herz OP, aber das war ihm egal... Seine Tochter wurde immer unterstützt! |
Nach seinem Herzstillstand beim Skifahren konnte er wiederbelebt werden und wurde ins Krankenhaus nach St. Johann geflogen wo er nach ein paar Tagen auch voll ansprechbar war und sich wirklich alles merken konnte was man ihm erzählt hat. Immer wieder habe ich ihn gefragt ob er denn überhaupt noch weiterkämpen will und er hat mich nur angelächelt (er konnte leider nicht reden da er künstlich beatmet wurde) und mit seinen strahlend blauen Augen angeschaut und sowas von fest genickt, dass es überhaupt keinen Zweifel gab. Tapfer hat er sich vom Pfleger die Zähne putzten lassen auch wenn es ihn dabei noch so stark gewürgt hat... klar, denn er braucht ja sein Zähne noch... denn er WILL LEBEN!
Slowenien und das Socatal werden ja immer bekannter... mein Papa hat mir das Tal, als begeisterter Kajakfahrer, schon viel, viel früher gezeigt... |
Einen Tag konnte ich ihn mal nicht im Krankenhaus besuchen da ich die Nackenfaltenmessung bei meinem eigenen Kind durchführen lies. Gleich am nächsten Tag habe ich ihm erzählt, dass es wahrscheinlich ein Junge wird... er hat vor Freude geweint und das hat die ganze Station mitbekommen, da es wohl auf der Intensivstation nicht zu viele "schöne Nachrichten" gibt. Ich war wirklich überrascht von so viel liebe und Menschlichkeit, denn wir haben wirklich keine große Sache daraus gemacht und trotzdem hat sich das sofort rumgesprochen.
Von Tag zu Tag ging es meinem Papa besser und wir warteten nur darauf, dass er endlich diesen blöden Beatmungsschlauch rausbekommt, doch dann... die Horrobotschaft auf Grundlage eines CT - der 2. Halswirbel ist beim Unfall gebrochen und somit gab es keine Hoffnung mehr auf Heilung. Er hätte für den Rest seines Lebens beatmet werden müssen... Mit dieser Botschaft schwand auch Papas Kampfgeist und er verstarb noch am selben Tag...
Ich weiß, man muss dankbar sein für das was man hat und hatte und er hatte viel, viele Abenteuer, viele Gipfelsiege, viel Leben und hat sein Leben auch wirklich genossen... trotzdem tut es einfach schrecklich weh wenn jemand von uns gehen muss der noch nicht bereit dafür war, egal ob dieser Mensch schon ein langes und erfülltes Leben hatte... ich hätte ihm noch viele weitere tolle Jahre gegönnt und seinem kleinen Enkel, der nun sehr bald auf die Welt kommen wird hätte ich GENAU DIESEN OPA gewünscht... denn er war der beste Papa der Welt und wäre sicher auch ein unglaublich toller Opa geworden!
Ich werde mich bemühen unser kleines Söhnchen auch mit so viel Liebe, Geduld und trotzdem Bergwahnsinn aufwachsen zu lassen... eben ganz nach dem Vorbild meines Papas!
Mein Papa war trotz seinen stolzen 81 Jahren alles andere als alt, wir haben seinen Geburtstag auf der Möslalm in Wörgl gefeiert und was schenkt man schon einem 81 jährigen, der ja eigentlich alles hat was er braucht... genau, viel Spaß und Blödsinn, so habe ich ihm einen Gasluftballon geschenkt der bei jeder Erschütterung "Happy Birthday" gesungen hat und ihm gesagt er "muss" ihn mit auf die Alm nehmen! Hat er es gemacht?!? Natürlich! Auch wenn er oben geflucht hat, dass dieser "scheiß Ballon" bei jeder Erschütterung gesungen hat, wir hatten einen suuuuper lustigen Abend und haben unglaublich viel gelacht....
Und die Geschichte vom Ballon, die haben wir sogar im Krankenhaus nochmal wiederholt und so hatten wir auch dort nochmal was zu lachen...
Ich kann Euch echt nur sagen macht worauf auch immer ihr Lust habt - schwachsinnig oder nicht... die lustigen Geschichten machen das Leben aus, nicht die strikten ernsten Dinge die eben auch erledigt werden müssen...
Achja, und da es ja bald wieder soweit ist, natürlich hatten wir auch eine gemeinsame Wiesn-Tradition und auch das Teufelsrad habe ich durch meinen Papa kennengelernt, da das kurz nach dem Krieg eines der wenigen Attraktionen war, die leistbar waren... und mich hat das als kleines Kind neugierig gemacht und dann in seinen Bann gezogen und ich bin nie wieder losgekommen davon!
PAPA, du lebst weiter! Denn du hast mich geprägt!
Ich liebe dich!
Deine Tochter!
Ps: für alle Zuagrosten, mein Papa war ein echter Bayer, der nur ein paar Meter von der Theresienwiese geboren wurde... trotzdem ging er nie in der Lederhose auf die Wiesn, denn er pflegte zu sagen... "früher musste ich das älteste Gwand anziehen auf die Wiesn, da es ja sowieso nur kaputt geht dort, da brauch ich mich jetzt auch nicht verkleiden"
Ein toller Nachruf, den sich jeder Papa wünscht!!! R.I.P. Sepp
AntwortenLöschenStefan Binder, ein Kayakspezi